Das Sozialgericht Hannover seit 1954
Wie ging es los?
Pünktlich mit Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes vom 3. September 1953 nahm das Sozialgericht Hannover am 1. Januar 1954 mit sechs Sozialgerichtsräten, einem Gerichtsassessor, zehn Beamten und 21 Angestellten seinen Dienst auf. Es übernahm nicht nur die Aufgaben des Oberversicherungsamtes, das seit Ende des Krieges judikative Funktionen im Bereich der Sozialversicherung wahrnahm, sondern auch dessen Standort in der Nienburger Straße, zwei nebeneinander liegende Villen mit renaissanceistischen neobarocken baulichen Elementen, die im ausgehenden 19. Jahrhundert zu Wohnzwecken von einem Fabrikanten errichtet wurden.
Mit seiner Gründung erhielt das Sozialgericht Hannover die (für Niedersachsen) zentralen Zuständigkeiten für das Kassen- (heute: Vertrags-)arzt- und -zahnarztrecht sowie für die Knappschaftsversicherung einschließlich der Unfallversicherung für den Bergbau.
Bereits vor dem Bezug von Räumlichkeiten wurde nahezu einhellig die Meinung vertreten, dass das Gebäude für die beabsichtigte Nutzung nicht tauglich ist. Die Villen in der Nienburger Straße waren weder vom baulichen Zuschnitt her für die Unterbringung eines Gerichts geeignet noch war die Anzahl der nutzbaren Räume ausreichend. Es war keine Besonderheit, dass sich mehrere Richter ein Dienstzimmer teilen mussten.
Warum stiegen die Klageeingänge so rapide?
Die Sozialgerichtsbarkeit und damit auch das Sozialgericht Hannover gewannen sehr rasch zunehmend an Bedeutung. Diese stetig gewachsene und wachsende Bedeutung der Sozialgerichtsbarkeit hat seine Gründe. Das Sozialrecht ist ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Veränderungen. Es dient der einfachrechtlichen Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Sozialstaatsgebotes (Art. 20 Abs. 1 GG) und wird in besonderem Maße von der gesellschaftlichen Realität und ihrer Entwicklung beeinflusst. Denn es ist Aufgabe des Sozialrechts, Veränderungen in einer dynamischen Gesellschaft mit zu gestalten und auf sie zu reagieren. Dieser andauernde Prozess der Neubewertung der gesellschaftlichen Verhältnisse findet im Wesentlichen vor den Sozialgerichten statt, die damit sicherlich von allen Gerichtsbarkeiten diejenige ist, die die Änderungen wirtschaftlicher Rahmenbedingungen unmittelbar spürt und entsprechende Antworten finden muss. In Zahlen ausgedrückt sieht der Zuwachs der Klagen so aus: Die unvorstellbare Zahl von knapp 10.000 Verfahren ging 1954 vom Oberversicherungsamt auf das neugegründete Sozialgericht über. In der Folgezeit normalisierten sich die Klageeingänge. 1974 sind bei dem Sozialgericht Hannover 3.710 und 1984 bereits 4.442 Klagen eingegangen, 1990 wurden 5.314 Klageeingänge gezählt. Ein geringer Zuwachs wurde bis 1994 erreicht, nämlich 5.700 neue Verfahren. Bis zum Jahre 2004 stieg die Zahl der Klageeingänge auf 7.800.
Mit Inkrafttreten der sogenannten Hartz IV-Gesetze mit Beginn des Jahres 2005 zählten wir 9.300 Klageeingänge. In den Folgejahren verzeichneten wir einen stetigen Anstieg der Klageeingänge bis hin zu 12.300 Klagen im Jahre 2011.
Wie entwickelte sich das Sozialgericht personell?
Entsprechend dem Zuwachs der Klageeingänge wuchs auch -wenn auch stets mit Verzögerung- die Anzahl der Richterinnen und Richter und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Mit insgesamt 38 Dienstangehörigen begann das Sozialgericht Hannover im Jahre 1954 seine Tätigkeit. 1956 waren bereits insgesamt 57 Dienstangehörige tätig, davon zwölf Richter und eine Richterin. Heute sind über 100 Dienstangehörige, davon 44 Richterinnen und Richter, beschäftigt. Eine genaue Anzahl, insbesondere der Richterinnen und Richter, lässt sich für einen längeren Zeitpunkt nicht festlegen. Denn unsere jungen Richterinnen und Richter nutzen nicht nur auf Grund ihrer Qualität, sondern auch wegen der günstigen Verbindungen gerne die Möglichkeit, sich an das Niedersächsische Justizministerium, das Landessozialgericht in Celle oder an das Bundessozialgericht in Kassel abordnen zu lassen.
Ein Dauerthema: Die Raumnot
Kosten für zusätzliche Räume werden immer nur bewilligt, wenn der Bedarf bereits vorhanden ist. Die Raumnot war daher ein ständiger Begleiter in der Geschichte des Sozialgerichts. Zunächst schaffte die bauliche Verbindung der beiden Villen in der Nienburger Straße 14 A und 15 im Jahre 1960 etwas Platz. Bereits 1962 wurden weitere Räume an der Langen Laube angemietet, die 1982 durch ein größeres Objekt am Klagesmarkt ausgetauscht wurden. In der Folgezeit wurden durch Raumteilungen und Ausbau von Abstellräumen zusätzliche Diensträume geschaffen. 1999 erfolgte der Umzug in das moderne, funktionelle Verwaltungsgebäude in der Calenberger Esplanade. Bereits bald nach dem Umzug wurden auch hier die Aufteilung von Büroräumen und die Auslagerung des Archivs zur Gewinnung weiterer Diensträume erforderlich. Entspannung trat erst 2011 durch die Anmietung von zwei größeren Etagen in der Calenberger Esplanade ein. Seitdem ist das Sozialgericht Hannover das einzige Gericht, das seine Daten mittels einer Laserkanone vom Hauptgebäude in ein Nebengebäude überträgt.
Und heute?
Das Sozialgericht Hannover ist mittlerweile das größte erstinstanzliche sowie das zweitgrößte Fachgericht in Hannover. Seiner Bedeutung entsprechend wurde es im Sommer 2009 zu einem Präsidialgericht mit einem Präsidenten an der Spitze aufgewertet.
Umzug in zentrale Lage
Im August 2015 war es soweit: Das Sozialgericht Hannover hat seinen Sitz in der Calenberger Esplanade verlassen und ist in das neue Fachgerichtszentrum in der Leonhardtstraße in Hannover umgezogen. Gemeinsam mit dem Arbeitsgericht, dem Verwaltungsgericht, dem Landesarbeitsgericht und dem Niedersächsischen Finanzgericht haben nunmehr etwa 400 Justizangehörige ihren Arbeitsplatz in zentraler Lage in Hannover. Begleitet wurden die Planungen des Neubaus, der ca. 11.300 qm Nutzfläche bietet, zwei Jahre lang von Vertretern aller einziehenden Gerichte. Besonders die zentrale Lage des Fachgerichtszentrums ist sowohl für die Rechtssuchenden als auch für die Justizangehörigen sehr attraktiv.