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Zeit der Industrialisierung

Mit Beginn der Industrialisierung verloren die Zünfte und Gilden an Bedeutung. Industriearbeiter, die aus dem Arbeitsleben wegen Krankheit, Invalidität oder Alter ausscheiden mussten, waren dem Elend preisgegeben. Diese tiefgreifende soziale Umwälzung machte ein Eingreifen des Staates erforderlich.

Eine erste staatliche Fürsorgeverpflichtung wurde im Preußischen Allgemeinen Landrecht vom 05.02.1794 normiert. Danach wurde der Staat verpflichtet, für die Ernährung derjenigen Bürger zu sorgen, deren Lebensunterhalt weder durch eigene Leistungen noch durch Hilfe Dritter sichergestellt werden kann. Es folgte die Errichtung beitragspflichtiger Versorgungseinrichtungen (Versicherungen).

Das Gesetz über die Vereinigung der Berg-, Hütten und Salinenarbeiter in Knappschaften vom 10.04.1854 war die erste landesgesetzliche, öffentlichrechtliche Arbeiterversicherung. Mit diesem Gesetz wurden die Knappschaftskassen einheitlich organisiert und der Zwang zu ihrer Bildung eingeführt; die Bergarbeiter wurden zur Beitragszahlung verpflichtet und die Mindestleistungen der Kassen festgelegt. Doch diese und auch andere landesgesetzlichen Regelungen waren zur Lösung der sozialen Frage noch unzureichend, weil sie nur einen Teil der Bevölkerung betrafen. Die sozialen Missstände der anderen Berufsgruppen (z. B. dargestellt in Gerhart Hauptmanns "Die Weber") verlangten auch eine Lösung.

Durch eine Kaiserliche Botschaft Wilhelms I. vom 17.11.1881 wurde der Aufbau der Arbeiterversicherung eingeleitet. Diese Botschaft, die auf eine Anregung Bismarcks zurückgeht, wird allgemein als die "Magna Charta" oder die Geburtsurkunde der deutschen Sozialversicherung bezeichnet: Die Arbeiter sollen gegen Krankheit, Unfall, Invalidität und materielle Not im Alter versichert werden, sie sollen einen Rechtsanspruch auf die Leistungen haben und die Versicherung soll auf der Grundlage der Selbstverwaltung durchgeführt werden.

Die erste Auswirkung der Kaiserlichen Botschaft war die Regelung der Krankenversicherung der Arbeiter mit Gesetz vom 15.06.1883. Das Kernstück des Gesetzes lag in der Einführung des Versicherungszwangs. Die im Gesetz aufgeführten Personen - insbesondere Personen, die gegen Gehalt oder Lohn beschäftigt wurden - waren kraft Gesetzes gegen Krankheit versichert.

Das nächste wichtige Gesetz war das Unfallversicherungsgesetz vom 06.07.1884; auch dieses führte den Versicherungszwang ein. Der im Betrieb verunglückte Arbeiter oder seine Hinterbliebenen konnten eine Rente von den Berufsgenossenschaften erhalten, die die Unfallversicherung durchführten. Diesem Gesetz folgte das Gesetz über über die Invaliditäts- und Altersversicherung vom 22.06.1889, das die Gewährung einer Altersrente vom 70. Lebensjahr an oder einer Invalidenrente bei Invalidität vorsah

In der Reichsversicherungsordnung vom 09.07.1911 wurden die einzelgesetzlichen Regelungen geordnet und in folgende sechs Bücher zusammengefasst:

1. Buch: Gemeinsame Vorschriften für alle Zweige der Reichsversicherung

2. Buch: Krankenversicherung

3. Buch: Unfallversicherung

4. Buch: Rentenversicherung der Arbeiter

5. Buch: Rechtliche Beziehungen der Versicherungsträger zueinander und zu anderen Verpflichteten

6. Buch: Verfahren

Zum 1.01.1913 trat das Angestelltenversicherungsgesetz in Kraft.

Das Gesetz über die Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung datiert vom 16.07.1927 zu erwähnen; sein Zweck ergibt sich aus seinem Namen
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