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Gesetzlicher Unfallversicherungsschutz bejaht - auch wenn im Vertrag etwas Anderes steht

Das Sozialgericht (SG) Hannover hat entschieden, dass eine Zeitarbeitsfirma den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz (und arbeitsrechtliche Schutzvorschriften) nicht dadurch umgehen kann, indem sie den Vertrag mit dem Arbeitnehmer mit „Vereinbarung für ein Einfühlungsverhältnis“ überschreibt.

Zugrunde lag dem Verfahren ein im Jahre 1992 geborener Kläger, der sich am 06. September 2016 vertraglich mit einer Zeitarbeitsfirma verpflichtet hatte, bei einer Müllentsorgungsfirma – zunächst nur – am 07. September 2016 vorstellig zu werden. Schriftlich war im Vertrag festgehalten, dass sich der Kläger mit den betrieblichen Verhältnissen und den Arbeitsabläufen eines Müllwerkers vertraut machen sollte. Ein Weisungs- und Direktionsrecht ebenso wie eine Vergütung für den Tag und ein Versicherungsschutz wurden im Vertrag ausgeschlossen. Während der Kläger am 07. September 2016 bei dem Müllentsorgungsunternehmen Arbeit verrichtete, fiel er vom Müllwagen und zog sich erhebliche Schädelverletzungen zu. Die zuständige Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalles mit der Begründung ab, es habe sich lediglich um ein Einfühlungsverhältnis zum gegenseitiges Kennenlernen gehandelt, also um eine Arbeitsplatzsuche und nicht um eine versicherte Tätigkeit.

Das SG Hannover hat am 21. Februar 2019 entschieden, dass es sich um einen Arbeitsunfall handelte und der Kläger damit unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand. Das regelmäßig – neben vorhandenem Stammpersonal – mit Zeitarbeitsfirmen arbeitende Müllentsorgungsunternehmen hatte für den 07. September 2019 eine Urlaubsvertretung angefordert. Die Kammer konnte sich in der Beweisaufnahme davon überzeugen, dass der Kläger vollständig in den Arbeitsprozess eingebunden war und er entgegen der Bezeichnung im Vertrag als Urlaubsvertretung mit voller Arbeitskraft eingesetzt wurde. In ihm überlassener Arbeitskleidung sammelte er von morgens an nach klarer Anweisung des Fahrers des Müllwagens gemeinsam mit dem Beifahrer Müllsäcke ein und warf sie hinten in den Müllwagen.

Der gesetzliche Unfallversicherungsschutz kann nicht durch eine Zeitarbeitsfirma außer Kraft gesetzt werden, indem sie vertraglich für die Tätigkeit Unentgeltlichkeit und fehlenden Unfallversicherungsschutz vereinbart, obwohl die volle Arbeitskraft des Arbeitnehmers ausgenutzt wird und dessen Tätigkeit beiden Unternehmen wirtschaftlich dient.

Sozialgericht Hannover, Urteil vom 21. Februar 2019 S 22 U 147/17 - nicht rechtskräftig

Richterin am Sozialgericht Hannover Susanne Löffler, Pressesprecherin

Artikel-Informationen

erstellt am:
29.03.2019
zuletzt aktualisiert am:
16.11.2022

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