Niedersachsen klar Logo

Betriebsbesichtigung bei Kali und Salz

Ab und zu bekommen wir Richter die Möglichkeit, einen Betrieb zu besichtigen. Dies ist zum einen immer sehr interessant, zum anderen aber auch eine große Hilfe für unsere Arbeit. In vielen der von uns bearbeiteten Rechtsgebiete – beispielsweise im Renten- oder Unfallversicherungsrecht – hängt der Erfolg einer Klage auf Leistungen davon ab, ob der Kläger noch arbeiten kann. In einigen Fällen kommt es dabei auch auf die konkrete Tätigkeit an. Zwar holen wir zur Beurteilung dieser Frage Sachverständigengutachten ein, das letzte Entscheidungsrecht liegt aber bei der Kammer. Ein gewisses Verständnis für die Arbeit unserer Kläger ist daher durchaus sinnvoll.

Dieses Mal besichtigten sieben Richter das Werk Sigmundshall der K+S Kali GmbH in Wunstorf. Der Kollege bei uns, der die Besichtigung organisierte und selbst schon einmal in dem Bergwerk gewesen war, wies uns darauf hin, dass es bis zu 50 Grad Celsius warm werden könne. Ich habe mir darüber zu diesem Zeitpunkt, ehrlich gesagt, nicht so viele Gedanken gemacht. Da unten arbeiten schließlich den ganzen Tag über Menschen. Ich bin knapp über dreißig Jahre und kerngesund; das sollte für mich doch kein Problem sein, dachte ich…

Angekommen in Sigmundshall bekamen wir zunächst eine Einführung in die Geschichte des Bergwerks. Es handelt sich um das letzte produzierende Kalibergwerk in Niedersachsen. Außerdem erhielten wir einen Einblick in die Grundzüge der Abbauweise, um das, was wir im Bergwerk zu sehen bekommen würden, besser einordnen zu können. Anschließend wurden einige Sicherheitsvorkehrungen mit uns besprochen. Wir würden etwa drei Stunden unter Tage bleiben, die meiste Zeit davon im Niedrigtemperaturbereich von etwa 45 Grad Celsius. Im tiefsten Bereich bei etwa 1.400 m ist es allerdings über 50 Grad Celsius heiß. Wir wurden darum gebeten, sofort Bescheid zu sagen, falls wir Kreislaufprobleme bekämen. Dies sei Besuchern schon häufig passiert. Auch die Bergleute selbst müssen sich nach einem längeren Urlaub erst wieder akklimatisieren. Außerdem sollten wir darauf achten, ausreichend zu trinken. Zu diesem Zeitpunkt wurde mir (und auch einigen Kollegen) das erste Mal mulmig. Die meisten schwenkten sofort von dem angebotenen Kaffee auf Wasser um.

Nach dieser „Vorwarnung“ ging es los: Wir zogen die komplett vom Bergwerk gestellte Kleidung an, bekamen Helme, Sauerstoffgeräte für den Notfall (die bei Besuchern noch nie zum Einsatz gekommen waren, wie uns versichert wurde) und jeder einen Liter Wasser. Das „Glück auf!“, mit dem sich Bergleute tatsächlich bei jeder Begegnung begrüßen, kam uns zu Anfang noch etwas hölzern über die Lippen, aber wir sahen zumindest schon mal aus wie echte Kumpel. Ein Mitarbeiter von Kali+Salz begleitete uns.

Die Richterinnen und Richter des Sozialgerichts Hannover unter Tage:

RnSG Dr. Meyer-Dulheuer, RSG Beckmann, Präs SG Beyer, RSG Meyke, RSG Möhwald, RnSG Friske (v. l. n. r.)

Mit dem Fahrstuhl fuhren wir auf 1.000 Meter Tiefe. Von dort aus ging es durch die weit verzweigten Schächte mit dem Auto weiter. Dabei stellte ich das erste Mal fest, dass es wirklich verdammt heiß und stickig war, was mit zunehmender Tiefe und Entfernung von der nächsten Frischluftzufuhr nicht angenehmer wurde. Bei 1.200 Meter Tiefe stiegen wir das erste Mal aus und schauten uns einige Fahrzeuge an. Viele der in diesem Bereich arbeitenden Bergleute arbeiten in klimatisierten Kabinen. Die Temperaturen dort sind allerdings auch nicht wesentlich niedriger als außerhalb der Fahrzeuge. Außerdem müssen diese verlassen werden, wenn etwas am Fahrzeug repariert oder sonst etwas außerhalb erledigt werden muss. Es gibt deshalb in regelmäßigen Abständen klimatisierte Container, in denen sich die Bergleute regelmäßig erholen können. Dennoch waren wir überrascht, wie extrem die Arbeitsbedingungen sind. Ich zumindest hatte mir davon bisher keine realistische Vorstellung gemacht. Umso mehr fiel mir auf, dass die Bergleute, die wir trafen, meist gut gelaunt unsere (laienhaften) Fragen beantworteten und ziemlich zufrieden wirkten. Mit meiner guten Laune war es nach diesem ersten Stopp schon einigermaßen vorbei, ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie ich es hier drei Stunden lang aushalten sollte.

Etwas besser wurde es zum Glück, als wir zu einer riesigen Halle kamen, in der sich sowohl nicht benötigte Fahrzeuge befinden, als auch Reparaturen vorgenommen werden. Es ist viel zu aufwändig, diese jedes Mal an die Oberfläche zu bringen. Trotzdem hatte der riesige Raum so tief unter der Erde etwas Surreales. Durch die nahe Frischluftzufuhr war es hier jedoch angenehmer und wir konnten uns etwas erholen.

Zuletzt fuhren wir in einen Bereich, der ganz frisch ins Gestein gesprengt worden war. Die Wände werden zwar permanent gekühlt, strahlen aber immer noch eine Hitze von über 50 Grad ab. Hier war es kaum aushaltbar und ich merkte, wie ich an meine Grenzen kam. Die letzten – sicherlich interessanten – Ausführungen zur Arbeit hier habe ich nicht mehr mit voller Konzentration verfolgen können und war froh, als endlich der Heimweg angekündigt wurde. Allerdings waren wir mittlerweile so weit vom Fahrstuhl entfernt, dass der Rückweg mit dem Auto nochmals etwa zwanzig Minuten in Anspruch nahm. Der Fahrtwind war zusätzlich unangenehm. Selten war ich so erleichtert, als in dem Moment, in dem der Fahrstuhl endlich wieder mit uns nach oben fuhr. Mit ein paar letzten „Glück auf“ - dieses Mal voller Inbrunst gesprochen - grüßten wir die uns entgegen kommenden Kumpel, die nun auf dem Weg zu ihrer Schicht waren.

Mein Fazit: Es war ein tolles, einzigartiges Erlebnis, von dem ich wohl noch meinen Enkeln erzählen werde, das ich persönlich aber nicht noch einmal wiederholen möchte. Die Bergleute, die hier jeden Tag arbeiten und dabei auch noch gut gelaunt sind, haben meine tiefste Bewunderung!

zum Seitenanfang
zur mobilen Ansicht wechseln